German Chancellor Angela Merkel and French President Emmanuel Macron Thomas Lohnes/Getty Images

Können Frankreich und Deutschland zusammenkommen?

PARIS – Als Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National vor sieben Monaten Chancen hatte, französische Präsidentin zu werden, fürchtete Deutschland um Frankreichs Zukunft. Nach den deutschen Bundestagswahlen im September allerdings zeigte sich Frankreich nicht besonders besorgt um seinen Nachbarn. Die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) wird trotz aller Zugewinne nicht an die Macht kommen. Deutschland ist schließlich nicht Österreich.  

Dennoch haben die französischen und deutschen Eliten einen gemeinsamen Anlass zur Sorge gefunden: Deutschland sei möglicherweise nicht in der Lage, die außergewöhnliche Chance wahrzunehmen, die sich durch den Wahlsieg des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bietet. Zuvor bestand das Problem nicht in einem zu starken Deutschland, sondern einem zu schwachen Frankreich. Nun ist das Problem ein für Europa zu ehrgeiziges Frankreich gegenüber einem Deutschland, das sich nicht ehrgeizig genug präsentiert.    

Jahrelang monierte Deutschland, dass Frankreich nicht fähig sei, innenpolitische Reformen durchzuführen und dass die Franzosen die Bedeutung von „Föderalismus“ im Kontext der Europäischen Union nicht verstehen würden. Vor diesem Hintergrund erschien dann Macron auf der Bildfläche und präsentierte sich als aktivistischer Philosophen-Präsident. Er ist Schüler des französischen Philosophen Paul Ricœur und spricht von einer „europäischen Souveränität“, so wie der deutsche Philosoph Jürgen Habermas von einer „europäischen Staatsbürgerschaft“.

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