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Für ein Ende des endlosen Krieges im Kongo

LAGOS – In der unruhigen Region der afrikanischen Großen Seen nimmt die Gewalt derzeit erneut dramatisch zu. Diesen Monat jährt sich zum 30. Mal der Völkermord in Ruanda, bei dem 800.000 Menschen ihr Leben verloren und weitere zwei Millionen vertrieben wurden. Diese Menschen flohen in die östlichen Landesteile der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo), die zum Epizentrum eines zunehmend unlösbaren Konflikts wurden, den manche als Afrikas Dreißigjährigen Krieg bezeichnen.

Seit dem Sturz des kleptokratischen Diktators Mobutu Sese Seko im Jahr 1997 waren aufeinander folgende Regierungen der DR Kongo nicht in der Lage, die Grenzen des Landes zu sichern und große Gebiete im Osten des Landes zu kontrollieren, wo etwa sechs Millionen Menschen getötet und weitere sieben Millionen innerhalb des Landes vertrieben wurden. Die Gesetzlosigkeit in diesem riesigen Gebiet hat - insbesondere in den letzten Jahren - die systematische Plünderung der großen Kobalt-, Coltan-, Kupfer-, Gold- und Diamantvorkommen der DR Kongo durch einheimische und vom Ausland unterstützte Kräfte ermöglicht.

Regionale afrikanische Organisationen, ausländische Mächte und die Vereinten Nationen, die seit 25 Jahren friedenserhaltende Missionen in die DR Kongo entsenden, haben es nicht geschafft, die Gewalt einzudämmen. Um eine weitere Eskalation zu verhindern und den Konflikt schließlich zu beenden, gilt es für die nationalen, regionalen und internationalen Gesprächspartner der DR Kongo, die sich hier entfaltende komplexe Dynamik zu verstehen.

Im Mittelpunkt der aktuellen Krise stehen die schweren Spannungen zwischen der DR Kongo und Ruanda, dessen autokratischer Präsident Paul Kagame  seine mittlerweile fast ein Vierteljahrhundert währende Herrschaft bei den Wahlen im Juli voraussichtlich verlängern wird. Kagame hat die Regierung der DR Kongo beschuldigt, völkermordende Hutu-Milizen zu unterstützen, kongolesische Tutsi zu vertreiben und sich Verhandlungen über eine Beendigung der Kämpfe zu verweigern. Die DR Kongo hat unterdessen Gespräche mit der Bewegung des 23. März (M23), einer von Ruanda unterstützten Rebellengruppe im Osten des Landes, abgelehnt und Kagame aufgefordert, die ruandischen Truppen aus der DR Kongo abzuziehen und die M23 zu demobilisieren.

Die Nachbarländer Uganda und Burundi spielen in dem Konflikt eine zwiespältige Rolle. Beide werden (ebenso wie Ruanda) beschuldigt, Gold und andere Ressourcen aus der DR Kongo zu schmuggeln. Doch trotz des wackeligen Waffenstillstands mit Ruanda hat die ugandische Regierung mit der Regierung der DR Kongo eine gemeinsame Operation gegen die Alliierten Demokratischen Kräfte (ADF), eine in beiden Ländern operierende islamische Extremistengruppe, eingeleitet. Burundi hat Ruanda beschuldigt, burundische Rebellen im Ostkongo zu unterstützen und hat kürzlich im Rahmen eines bilateralen Abkommens mit der Regierung der DR Kongo Truppen in die Region entsandt.

Verschärft wird die katastrophale Lage in den rohstoffreichen östlichen Provinzen Kivu und Ituri noch durch die weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen die von der kongolesischen Armee und einigen Mai-Mai (lokalen Selbstverteidigungskräften) begangen werden. Hinzu kommen noch 100 in der Region operierende Milizen. Allein im letzten Jahr haben diese bewaffneten Gruppen eine Million Menschen vertrieben. Im Februar kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen, als die M23 die Großstadt Goma - Hauptstadt von Nord-Kivu - umzingelte. Die ADF und die Coopérative pour le développement du Congo (CODECO) sollen hunderte Menschen getötet und sexuelle Gewalttaten verübt haben.

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Gleichermaßen kompliziert gestalten sich die Friedensbemühungen in der Region der Großen Seen Afrikas. Im Jahr 2022 holte der unberechenbare kongolesische Präsident Félix TshisekediFriedenstruppen der Ostafrikanischen Gemeinschaft (bestehend aus DR Kongo, Burundi, Kenia, Südsudan, Tansania und Uganda) ins Land, nur um danach deren mangelnde Kampfbereitschaft gegen die M23 zu kritisieren und ihren Abzug zu veranlassen. Im Dezember letzten Jahres lud Tshisekedi trotz des lautstarken Widerstands Ruandas eine aus 2.900 malawischen, südafrikanischen und tansanischen Soldaten bestehende Mission der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) ein. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich die SADC-Friedenstruppe auf einen größeren Krieg gegen Ruanda und die M23 einlässt, denn darauf ist Tshisekedi letztlich aus. Außerdem hat der kürzliche Tod zweier südafrikanischer Soldaten in der DR Kongo die Alarmglocken in der südafrikanischen Politik läuten lassen.

Beunruhigend ist, dass die UN-Friedensmission auf Ersuchen der kongolesischen Regierung bis Ende 2024 aus der DR Kongo abgezogen werden soll. Die drei afrikanischen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates - Algerien, Mosambik und Sierra Leone - arbeiten eng mit Guyana zusammen, um die weitere finanzielle und logistische Unterstützung der SADC-Mission sicherzustellen, und warnen die Uno davor, in der Demokratischen Republik Kongo ein „Sicherheitsvakuum“ zu hinterlassen.

Auch ausländische Regierungen sind in der Region der afrikanischen Großen Seen aktiv. Die Vereinigten Staaten, die 2013 maßgeblich dazu beitrugen, den Vormarsch der M23 auf Goma zu stoppen, indem sie Ruandas Hilfe für die Rebellengruppe zurückhielten, versuchen in letzter Zeit, zwischen der DR Kongo und Ruanda zu vermitteln. Außerdem haben sie in den letzten Jahren eine striktere Haltung gegenüber Ruanda eingenommen. Man hat die Militärhilfe für das Land ausgesetzt, es zum Abzug von Truppen und Boden-Luft-Raketen aus der DR Kongo gedrängt und die ruandische Unterstützung der M23 verurteilt. Überdies – und gleichermaßen bedeutsam – haben die USA Ruandas Beiträge zu friedenserhaltenden Maßnahmen in der Zentralafrikanischen Republik und im Südsudan infrage gestellt, die Ruanda oftmals bemüht, um von seinen Aktionen in der DR Kongo abzulenken.

Die meisten anderen ausländischen Mächte sind von Eigeninteressen geleitet. Obwohl Frankreich Amerikas Kritik an Ruanda in einigen Punkten teilt, hat es seine finanzielle Unterstützung für das Land aufgestockt. Ruanda entsandte nämlich 2.500 Soldaten nach Mosambik, um eine Gasverarbeitungsanlage des französischen Ölriesen TotalEnergies vor lokalen Aufständischen zu schützen. Im Februar unterzeichnete die Europäische Union mit Ruanda (trotz dessen Plünderung der Ressourcen in der DR Kongo) eine Vereinbarung über die Ausbeutung kritischer Mineralien und zog damit den Zorn offizieller Vertreter der DR Kongo auf sich. China konkurriert mit der EU um Rohstoffe und hat massiv in den Kobaltsektor der DR Kongo investiert.

Die Lösung der Krise im Gebiet der afrikanischen Großen Seen erfordert die Koordinierung zwischen regionalen und externen Akteuren. Westliche Länder müssen die Hilfe für Ruanda davon abhängig machen, dass es seine Truppen aus dem Osten der DR Kongo abzieht und seine Unterstützung für die M23 beendet. Darüber hinaus sollte die Plünderung der Bodenschätze der DR Kongo und der illegale Handel damit für Ruanda, Uganda und Burundi ernsthafte Konsequenzen haben. Und schließlich muss die Rolle Ruandas bei den UN-Friedensmissionen erheblich zurückgefahren werden.

Innenpolitisch gilt es für die DR Kongo, gegen die weit verbreitete Korruption vorzugehen, die demokratische Regierungsführung zu verbessern und völkermordende Kräfte sowie westliche Söldner in die Schranken zu weisen. Und die Afrikanische Union sollte die Lücken bei den Friedensbemühungen schließen, unter anderem durch die Stärkung der SADC-Mission, damit diese enger mit den UN-Friedenstruppen zusammenarbeiten kann. Vor allem aber müssen die Vereinten Nationen, einen überstürzten, schlecht geplanten Rückzug aus einer Situation vermeiden, die Generalsekretär António Guterres zu Recht als „langwierige und weitgehend vernachlässigte humanitäre Krise“ bezeichnet.

Übersetzung: Helga Klinger-Groier

https://prosyn.org/SCEo6Aode